Wie ich ein Geschichtenerzähler wurde

Nach meiner Ausbildung zum Schauspieler stehe ich nun seit 30 Jahren auf der Bühne. Zuerst war ich am Kinder und Jugendtheater Dortmund engagiert und habe dort viele Erfahrungen sammeln können was es heißt ein junges Publikum, welches direkt und unverfälscht reagiert, für eine Geschichte über eine längere Spanne zu interessieren. Das war auch für Auftritte vor Erwachsenen eine gute Übung, denn die sind eigentlich genauso, nur nicht ganz so ehrlich in ihren Reaktionen.

Auch in den folgenden Engagements war mir bei der Arbeit als Schauspieler auf der Bühne der Kontakt zum Publikum immer besonders wichtig. Ich habe zahlreiche Erzählerfiguren gespielt, die das Publikum direkt angesprochen haben. Da dies aber alles Rollen waren, an einen Text und eine Inszenierung gebunden, war es oft schwer die Reaktionen des Publikums in das Spiel und die Erzählung der Geschichte einfließen zu lassen. Und es kam mir immer etwas gemogelt vor zu behaupten die Worte würden mir im Moment einfallen. Ein Teil der Arbeit eines Schauspielers ist ja, den Text so zu sprechen, als würden ihm die Worte im Moment gerade einfallen. Für den Zuschauer ist es spannend, jemandem dabei zuzusehen, wie er gerade einen Gedanken formuliert, dann fängt er gleich an mitzudenken. Ich habe die Geschichte im Kopf, ich weiß, was ich erzählen will, aber es wird erst genau während des Auftrittes, in dem Moment formuliert, das ist für mich spannend und lebendig, denn die konkrete Situation des Erzählens wird mit einbezogen.

Als Schauspieler am Theater ist es ja meistens so: ein Großteil der eigentlichen kreativen und inhaltlichen Arbeit ist schon von anderen gemacht, wenn ich auf die erste Probe komme (Regie, Dramaturgie, Bühnenbild, Kostüm, Video, Beleuchtung, Technik…). Das ist ja für diese komplexe Kunstform auch gut so und hilfreich, dass sich jeder auf seinen Spezialbereich konzentrieren kann, aber es ist auch gut, wenn ich mich auf die Urform besinnen kann von der alles ausgegangen ist.

Deshalb bin ich immer wieder auch solo aufgetreten mit eigenem Programm, und mir war dabei immer wichtig, dass der Text frei und im Moment ausformuliert wird. Das waren Liederprogramme, mit Liedern die alle für sich auch schon Geschichten waren, und ich habe versucht diese „Kurzgeschichten“ zu einer abendfüllenden zu verweben durch überleitende Geschichten dazwischen.

Auf die Idee nur mit einer Geschichte im Kopf, im Sinn, im Körper, aufzutreten bin ich lange Zeit nicht gekommen, das lag wohl zu nah. Ich interessiere mich auch am Theater nie für Formalismen wie hier noch ein Video, da noch eine Abstraktion, sondern ausschließlich dafür, eine Geschichte zu erzählen und das Publikum damit zu erreichen. Und es ist mir immer wichtig, gerade bei alten Stoffen, klassischen Stücken, mich zu fragen: „Was heißt das heute?“ Auch bei den alten Geschichten muss man sich doch fragen: was heißt das heute? und: warum erzähle ich das jetzt? Das interessiert mich.Kann man die alten Geschichten modern erzählen? Was bedeuten sie heute? Ist es überhaupt notwendig, sie modern zu erzählen und inwiefern? Wie macht man das heute?

Das Erzählen setzt dem Wettlauf mit Computerspielen, Medien, synthetischen Soundmedien usw., den manche Theater verzweifelt versuchen zu gewinnen, das völlige Gegenteil entgegen. Da ist es konsequent, als Erzähler aufzutreten, das ganze Drumherum wegzulassen und als Erzähler, der den Text life entwickelt, loszuziehen.Die Bilder entstehen in den Köpfen der Zuschauer. Cinema for the poor.Ich bin unabhängig von irgendeinem Apparat und kann einfach dahingehen, wo mein Publikum ist:, Theater, Bühnen, Feste, am Strand, im Club in Schulen…Ich spiele verschiedene Instrumente, die ich auch gerne einsetze (Mandoline, Gitarre, Banjoline, Klavier ). Das ist selbstgemachte Musik, und was das Publikum sieht, ist eine große Unabhängigkeit: es braucht nur einen Menschen (mich), vielleicht ein Instrument, mindestens einen Zuhörer und nichts ist perfekt vorproduziert aber natürlich trotzdem kunstvoll.

Sven Tjaben 

In Bremen geboren und aufgewachsen, in Hamburg zum Schauspieler ausgebildet, bereist Sven als Theaterschaffender seit über 25 Jahren den deutschsprachigen Raum.

Durch eigene Projekte an der Schnittstelle zwischen Lesung, Kabarett und Musikcomédie entdeckte er das freie Erzählen. Er ließ sich an der Berliner Universität der Künste zum Erzähler weiterbilden und tritt regelmäßig als solcher auf.
Sven ist beim Erzählen die Verbindung von Körper, Sprache und Musik wichtig. Er singt, spielt Mandoline, Gitarre, Banjo, Akkordeon und Klavier – kurz, Sven bringt alles zum Einsatz im Dienste einer guten Geschichte!

Wöchentliche Auftritte
in der Grundschule in den Rollbergen, Werbellinseegrundschule, Robert-Reinick-Grundschule und in der Grundschule am Birkenhain („Erzählen beflügelt“ gefördert vom Evangelischen Johannesstift)

Geförderte Projekte
Vom Berliner Senat geförderte Projekte im Bereich der kulturellen Bildung:
mit Schulklassen (Klassenstufen 4-6, insbesondere Willkommensklassen), Bötzow Grundschule, Grundschule in den Rollbergen, Werbellinseegrundschule, Grundschule am Fliederbusch Neukölln

Vorträge auf Fachtagungen:
„Erzählen in Zeiten kultureller Vielfalt“, Akademie für kulturelle Bildung Remscheid „Erzählen und interkulturelle Vielfalt“, Erzählwerkstatt Ludwigshafen, Heinrich-Pesch Haus.

KIDSBühne
Gründung der KIDSBühne in der Jugendtheateretage seit 2018
www.kids-buehne.com

Ehrenamt
Sven Tjaben ist Vorstandsvorsitzender von Erzählkunst e.V.,
Verein zur Förderung des freien mündlichen Erzählens.
https://erzaehlkunst.com